7 Dinge, die Israel ausmachen

  1. Die Mentalität der Israelis

Die Menschen hier sind besonders gastfreundlich und herzlich. Ob im Zug, Shopping-Center oder in der Bar – überall komme ich mit Einheimischen ins Gespräch, die mehr über mich und meine Tätigkeit in Israel erfahren möchten. Oft ist es schon vorgekommen, dass ich Einladungen bekommen habe, den Shabbat oder einen Feiertag mit einer völlig fremden Familie zu verbringen.
Die Menschen hier sind viel direkter und offener als wir Deutschen. Manchmal leidet die Höflichkeit ein wenig darunter, Vordrängeln und wüste Annäherungsversuche sind zwei Beispiele, aber insgesamt mag ich diese Eigenschaften. Israelis nehmen nicht gerne ein Blatt vor den Mund, denn Förmlichkeit wird eher als Distanzierung interpretiert. Beispielsweise wird jeder hier beim Vornamen genannt wird, auch Arbeitskollegen und Lehrer. Man spürt hier viel deutlicher, wenn man gemocht wird, und diese Zuneigung wird auch klarer formuliert als bei uns. Israelis geben gerne viele Komplimente, ganz besonders wenn man ein paar Wörter Hebräisch spricht.

All das macht sich auch in der Sprache bemerkbar: Wenn man ratlos umherläuft, dauert es nicht lange, bis man „Ma at mechapeßet, Chamuda?“ (Was suchst du, Süße?) gefragt wird. Ein Telefonat wird gerne mit „As Yalla, Bye Mami!“ (Dann tschüss, bye Liebling!) beendet und unter Freunden ist selbst „Chaim sheli“ (mein Leben) nicht übertrieben. Andere oft verwendete Kosenamen sind zum Beispiel „Neshama sheli“ (meine Seele), „Motek“ (Süße/r) und „Kapara“ (dieser Begriff entstand aus einem alten Ritual orthodoxer Juden, wird heute verwendet wie „mein Schatz“). Fun fact: Selbst wenn sich zwei Autofahrer auf der Straße anschreien, nennen sie sich gegenseitig „Achi“ (mein Bruder).

  1. Shabbat und die Feiertage

Der Shabbat ist das jüdische Pendant zu unserem Sonntag, aber in extremerer Form. Er beginnt am Freitagabend und endet am Samstagabend und dessen Einhaltung ist für gläubige Juden eine unbedingte religiöse Pflicht. An diesem Tag der Woche dürfen sie keine Arbeit verrichten, dazu wird auch das Kochen, Autofahren, Telefonieren und sogar das Betätigen des Lichtschalters gezählt. Stattdessen soll das Gebet, die innere Einkehr und die Familie im Vordergrund stehen.
Für die säkularen (also nicht religiösen) Juden hat der Tag gleichfalls Bedeutung, allerdings in etwas abgeschwächter Form. Ich habe oft mit einer säkularen Familie hier Shabbat gefeiert und habe es sehr genossen. Es ist eine schöne Tradition, dass die Familie selbstverständlich am Freitagabend zusammenkommt und gemeinsam isst. Man wünscht sich gegenseitig „Shabbat Shalom“ (einen gesegneten Shabbat) und genießt die Zeit zusammen, die man vielleicht unter der Woche nicht hat. All das ist in Israel auch deswegen gang und gäbe, weil das Land klein, die Wege kurz sind und die Familie an sich einen sehr hohen Stellenwert hat.

Besonderes schön für mich war es auch, die einzelnen Feiertage im Laufe des Jahres kennenzulernen und mitzuerleben. Es gibt viele „positive“ und freudige Anlässe, zum Beispiel Purim, das ähnlich gefeiert wird wie unser Karneval, oder auch der Unabhängigkeitstag.

Es gibt aber auch Gedenktage, einen für die Opfer des Holocausts und einen für gefallene Soldaten, bei denen große öffentliche Gedenkzeremonien und Schweigeminuten abgehalten werden. Diese haben einen mindestens genauso hohen Stellenwert in der Gesellschaft und auch hier habe ich es als wichtig empfunden, dabei zu sein.

Sehr beeindruckend fand ich es zu sehen, wie „Yom Yippur“ zelebriert wurde. Yom Kippur ist der heiligste Tag des jüdischen Jahres, der Tag der Versöhnung mit Gott. 70 % der Bevölkerung fasten, um der Bitte der Vergebung der Sünden Nachdruck zu verleihen. Alle Geschäfte sind geschlossen und, mit Ausnahme von Rettungswagen, fährt kein Auto auf den Straßen. Am Abend dieses Tages tragen alle weiße Kleidung und gehen auf den Straßen mit ihren Familien und Freunden spazieren oder fahren auf der Autobahn Fahrrad. Auch ich habe an diesem Tag gefastet (25 Stunden!) und bis in den Morgen mit Israelis zusammengesessen. Eine ganz besondere Erfahrung!

IMG-20170114-WA0003

gedeckter Tisch am Shabbat

  1. Das Essen

Die israelische Küche ist deshalb so besonders, weil Juden aus der ganzen Welt eingewandert sind und die Gerichte und Esskultur aus ihrem Herkunftsland mitgebracht haben. So entstand in Israel ein Schmelztiegel aus Speisen aus nordafrikanischen und mediterranen Ländern, dem Nahen Osten sowie Mittel- und Osteuropa. Im Klartext: Das Essen ist super vielseitig und super lecker! Hummus (eine Mischung aus pürierten Kichererbsen und Sesam-Mus) und Falafel (frittierte Bällchen aus pürierten Kichererbsen) geben das perfekte Fingerfood ab und dürften viele schon einmal gehört haben. Aber kennt ihr auch Shakshouka, Burekas oder Cubbeh? (siehe Bilder)
Eine sehr bekannte und typisch israelische Beilage heißt Ptitim oder auch israelisches Couscous. In einer schweren Hungerkrise in den 50er-Jahren beauftragte Ben Gurion einen großen Nudelhersteller, eine Reisalternative auf Weizenbasis zu entwickeln. Das Ergebnis waren „Pasta-Kügelchen“, die sich noch heute großer Beliebtheit erfreuen.

Ganz egal was auf den Tisch kommt, es gibt immer mehr als genug von allem. Nach dem Nachtisch wird noch Obst und Nüsschen zum Knabbern gereicht, sodass sich eine Mahlzeit schon mal über zwei Stunden erstrecken kann. Mutter und Großmutter der Familie übertreffen sich meist gegenseitig dabei, alle Beteiligten dazu aufzufordern, Nachschlag zu nehmen. Ich habe sogar schon liebevolle, aber lautstark geführte Diskussionen erlebt, bei denen sich die Familienmitglieder gegenseitig beschuldigen, nicht ausreichend gegessen zu haben. Solche Feiertagsessen sind eine tolle Erfahrung und ich bin sehr glücklich darüber, bis jetzt schon oft eingeladen geworden zu sein!

 

  1. Die Vielfalt des Landes

Auch wenn ich diesen Aspekt schon oft in meinen Beiträgen erwähnt habe, darf er hier nicht fehlen: Israel hat, obwohl das Land nur ungefähr so groß ist wie Hessen, eine unglaubliche Vielfalt an landschaftlichen und kulturellem Reichtum zu bieten. Der grüne Norden mit seinen Wasserfällen ist ebenso attraktiv wie die beeindruckende karge Landschaft in der Negev-Wüste. Sich im Toten Meer treiben zu lassen ist eine völlig andere Erfahrung als das Baden an den wunderschönen Stränden in Tel Aviv oder Haifa im Mittelmeer. In Eilat am Roten Meer kann man alljährlich beim Schnorcheln und Tauschen Korallenriffe bestaunen. Im Winter ist es sogar möglich, auf dem höchsten Berg Israels, ganz im Norden, Ski zu fahren.
Die Jahrtausende alte Geschichte der Region, die circa 2000 BC begann, steht in spannendem Kontrast zu dem Streben nach einem innovativen und vorwärts gerichteten Lebensstil.
Ob säkulare, traditionelle oder (ultra-) orthodoxe Juden, ob christliche oder muslimische Araber, ob Drusen oder Anhänger der Bahai-Religion: In Israel leben viele verschiedene Religionen auf engem Raum und man hat die Chance, einen Einblick in deren Lebensweise zu bekommen.
Ich sage nicht, dass all diese Unterschiedlichkeit keine Probleme birgt. Die verschiedenen Migrationshintergründe der Bevölkerung ist für mich als Außenstehende spannend, beinhaltet aber natürlich sehr viel Konfliktpotenzial. Neben dem großen jüdisch-arabischen Konflikt bildet auch die jüdische Bevölkerung keinesfalls eine homogene Masse: beispielsweise gab es große Einwanderungswellen aus der ehemaligen Sowjetunion oder Äthiopien. Auch das breite politische Spektrum, das teilweise sehr radikale Ansichten beinhaltet, sowie die extrem unterschiedliche Auffassung von Religiosität, und inwieweit diese Einfluss auf den Staat haben sollte, führen immer wieder zu großen Problemen

IMG-20170413-WA0025

Obligatorisches Bild beim Baden im Toten Meer

  1. Der lange Sommer

Ab April beginnt in Israel die Badesaison, die meistens erst Ende Oktober endet. Was für uns der jährliche Sommerurlaub ist, ist für die Menschen hier Alltag. Am Wochenende geht’s mit Sack und Pack zum Strand, dort wird gebadet, gepicknickt, sich gebräunt und ganz wichtig „Matkot“ gespielt. Das Spiel, bei dem man mit zwei Holzschlägern so lange wie möglich einen Gummiball hin und her spielt, ist außergewöhnlich populär hier und hat mich durch die entstehende Geräuschkulisse schon das eine oder andere Mal in den Wahnsinn getrieben. Eine weitere Möglichkeit, sich sportlich zu betätigen, sind die kostenlos nutzbaren Fitnessgeräte, die man sowohl am Strand aber auch in den Parks in ganz Israel findet.

IMG-20170411-WA0019

Ich beim Matkotspielen

  1. Die Armee

Was für uns undenkbar erscheint, nämlich ein ausgeprägter Patriotismus und ein allgegenwärtiges Militär, ist in Israel das Fundament des Staates. Nach der Schule müssen Mädchen zwei und Jungen drei Jahre Militärdienst leisten, darauf folgt ein jährlich einmonatiger Reservedienst (bei Männern bis zum 42. Lebensjahr, bei Frauen bis zum 24. Lebensjahr). Viele junge Erwachsene sind stolz darauf, ihrem Land dienen zu dürfen, und beurteilen ihre Zeit in der Armee im Nachhinein als „hart, aber wertvoll“. Neben all der teils berechtigten, teils unberechtigten Kritik an der Politik Israels darf man nicht vergessen, dass Israel umringt von nachbarstaatlichen Feinden in ständiger Bedrohung lebt und von der palästinensischen Seite bis heute noch nicht als Staat anerkannt wird.

14339466_926505374128278_1488108898_o

Militärpräsenz in der Jerusalemer Altstadt

  1. Die Fortschrittlichkeit

Was haben der USB-Stick, die Firewall-Software und das Windows Betriebssystem XP gemeinsam? All diese technischen Errungenschaften wurden in Israel erfunden beziehungsweise entwickelt. Auch im landwirtschaftlichen und medizinischen Bereich hat das Land wichtige Innovationen hervorgebracht (wie das Tröpfchen-Bewässerungssystem oder eine Miniaturkamera in Tablettengröße). Was viele nicht wissen (inklusive meiner Person, bevor ich herkam): Israel ist heute ein wissenschaftlich erstaunlich progressives Land. Es hat zehn Nobelpreisträger hervorgebracht und mit den weltweit meisten Firmenneugründungen pro Kopf und jährlich 1.000 neuen Patentanmeldungen trägt es auch den Titel „Start-Up Nation“.
Im Alltag merkt man diese Tatsache an den kleinen, aber feinen Unterschieden, bei denen ich mich oft frage: „Warum gibt es so etwas nicht bei uns?“.
WLAN ist in Hotels, Restaurants, Cafés, am Strand und an hunderten Plätzen kostenlos verfügbar, außerdem ist das Telefonieren und die Nutzung riesiger Datenvolumen spottbillig: 10GB Datenvolumen inklusive unbegrenzten Telefonaten kosten ca. 10€ monatlich.
Das Parkticket bezahlt man hier ganz bequem per App und auch nur für den genauen Zeitraum, in dem man tatsächlich parkt. Sogar im Parkhaus! Im Kino muss man nicht anstehen, weil die Automaten am Eingang die Kreditkarte, mit der man die Tickets zuvor im Internet bezahlt hat, erkennen und die Tickets ohne Verzögerung ausdrucken.
Eine in Israel entwickelte und mittlerweile sehr populäre Navigations-App funktioniert wie ein „Social-Network“. Sie misst nämlich die Geschwindigkeit der Autofahrer und leitet die dadurch gewonnenen Informationen an alle anderen Benutzer weiter. Darüber hinaus können die Fahrer aktuelle Verkehrsinformationen über das Smartphone verbreiten, sodass das System ggf. eine neue, schnellere Route sucht und durch mehr User diese immer genauer anpassen kann. Auch cool: Fährt vor oder hinter mir ein angemeldeter Nutzer, wird mir dies angezeigt und ich kann sogar mit diesem kommunizieren!

So viel für heute. Ich hoffe, euch hat dieser Beitrag einen kleinen Einblick in das Leben in Israel gegeben!

Eure Jule

 

2 Gedanken zu “7 Dinge, die Israel ausmachen

  1. Danke Jule für diesen und den Beitrag zuvor, beide haben mich auf unterschiedliche Weise sehr beeindruckt, liebe Grüße Juliane

    Like

  2. Shalom Jule,seit ein paar Tagen bin ich wieder zuhause.Nach 3 sehr schönen Wochen auf der Insel Ischia (im Golf von Neapel)-dort hat es übrigens seit Februar nicht mehr geregnet)-war ich gespannt auf deinen neuen „Bericht“.Du hast mich neugierig gemacht auf dieses interessante kleine Land.!Und so habe ich mir für das nächste Jahr eine Reise nach Israel vorgenommen-das Land,das du mir so nahe gebracht hast !!!
    Und du hast bald deine Zeit dort beendet und und ich freue mich sehr, dich wiederzusehen.
    Also Jule ,ganz liebe Grüße Roswitha

    Like

Hinterlasse einen Kommentar